PM: Umsetzung des 30 x 30er Zieles des Weltbiodiversitätsrates auch für Südtirol
Bei der globalen Biodiversitäts-Konferenz COP15 in Montreal konnte man sich auf das Ziel einigen, dass bis zum Jahr 2030 30% der Erdoberfläche unter Schutz gestellt werden müssen. Südtirol erreicht dieses Ziel derzeit noch nicht. Im Moment sind 21% der Fläche Südtirols als Natur- oder Nationalpark, Biotop oder Naturdenkmal geschützt. Damit fehlen noch 9%, um das Ziel zu erreichen. Im Nachhaltigkeitsprogramm der Südtiroler Landesregierung, das im Rahmen der Veranstaltungsreihe Every-Day-for-Future vorgestellt wurde, wird das 30%-Ziel als konkrete, geplante Maßnahme bereits genannt. Wir fordern die Landesregierung auf, das genannte Ziel nun zügig umzusetzen. Dabei empfehlen wir besonders jene Gebiete als Schutzgebiete auszuweisen, die einen besonders hohen Wert für die Biodiversität in Südtirol haben und/oder jene Gebiete, die unter besonders hohem Druck stehen.
Dazu zählen unter anderem die Villanderer Alm, die Lüsner und Rodenecker Alm sowie Gebiete nördlich und westlich der Langkofelgruppe, wie z.B. die Cunfinböden.
Beim Schutz der Natur geht es um die Wahrung eines Allgemeinguts, das, neben seinen fundamentalen Funktionen wie z.B. der Nahrungsmittelproduktion und der Säuberung von Wasser und Luft, unter anderem auch das Fundament des wirtschaftlichen Status Quo und der Kultur in Südtirol darstellt. Es ist deshalb unabdingbar, besonders wertvolle Gebiete dieses Allgemeinguts auf Dauer und gegen unverhältnismäßige Interessen einiger weniger zu schützen.
Abgesehen davon, dass die 30% noch nicht erreicht werden, ist auch die Verteilung der Schutzgebiete für den Erhalt der Biodiversität ungünstig: Von den geschützten Flächen befinden sich über zwei Drittel oberhalb von 2000m (Nachhaltigkeitsreport Landwirtschaft Eurac). In höher gelegenen Gebieten besteht verhältnismäßig allerdings nur eine sehr eingeschränkte Gefahr des Verlusts von Biodiversität, da landwirtschaftliche Nutzung nur eingeschränkt möglich ist und die Gebiete für eine Besiedelung nicht geeignet sind. Die tieferen Lagen und Talböden hingegen sind zum allergrößten Teil nicht geschützt, wenngleich sich auch hier viele Flächen mit hohem Wert für die Biodiversität befinden. De facto sind hier lediglich 7% der Fläche geschützt. Dies mag, bei manchen, den Schein einer „zweitklassigen“ und somit weniger schützenswerten Natur im Talboden im Vergleich zu jener in den Bergen erwecken.
Die für den Erhalt der Biodiversität wirksamen Schutzgebietstypen sind Naturparke und Nationalpark, Biotope und Naturdenkmäler. Für die Gesamtfläche der geschützten Flächen Südtirols (21%) können Landschaftsschutzgebiete nicht mitgezählt werden; diese zielen nämlich, wie der Name schon sagt, primär auf den Erhalt des Landschaftsbildes ab und sind für den Erhalt der Biodiversität nicht ausreichend. Durch diese Art der Unterschutzstellung wird nicht verhindert, dass sich die Lebensbedingungen für Flora und Fauna, etwa durch eine Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung, verschlechtert und Biodiversität abnimmt.
Konkret empfehlen wir die Ausweisung (großer Teile) der Villanderer Alm als Natura-2000-Gebiet, wie bereits vor Jahren von der Europäischen Kommission gefordert, aber am Ende nach politischer Intervention in Rom nicht umgesetzt wurde. Aufgrund des Vorkommens von zahlreichen Niedermooren und gemähten und beweideten Bürstlingsrasen (ebenfalls FFH-Lebensräume) ist auch die Ausweisung weiterer Almgebiete erforderlich, allen voran die gesamte Lüsner und Rodenecker Alm sowie die Gebiete nördlich und westlich der Langkofelgruppe (Cunfinböden, Comunweide, Gebiete rund um Zallinger).
Aufgrund des besonders hohen Wertes der kontinentalen Trockenrasen im Vinschgau, Etsch- und Eisacktal ist die Ausweisung zusätzlicher Gebiete am Vinschger Sonnenberg und in der Bozner Umgebung notwendig. In Trockenrasen, Magerwiesen und weiteren wiesenartigen Habitaten mit hohem Naturwert ist eine Nutzung nach Ausweisung eines Schutzgebietes nicht nur möglich, sondern in der Regel auch ausdrücklich erwünscht. Diese wird im Falle einer Mahd derzeit auch teilweise durch Landschaftspflegeprämien abgegolten.
In Bezug auf die Waldgebiete empfehlen wir besonders naturnahe bzw. wirtschaftsferne Wälder nach dem Vorbild der österreichischen Naturwaldreservate unter Schutz zu stellen. Daran gekoppelt ist ein weitgehender Nutzungsverzicht. Finanzielle Einbußen für die Besitzer:innen müssen in Folge vergolten werden.
Schließlich ist aber auch die Ausweisung von zusätzlichen Gebirgsregionen zu Schutzgebieten sinnvoll. Aufgrund ihrer einzigartigen Pflanzenvielfalt sollten dabei die Pfunderer Berge Priorität haben. Der Mendelkamm hingegen beherbergt zahlreiche Arten, die weltweit auf die Südalpen rund um den Gardasee beschränkt sind und verdient ebenso eine besondere Aufmerksamkeit. Unter anderem auch aus wildökologischer Sicht ist das Gebiet Langkofelgruppe samt Cunfinböden mit in den Naturpark Schlern-Rosengarten zu integrieren, um seiner Funktion als einer der letzten größeren Ruhezonen und Rückzugsgebiete zwischen den Gebieten Seiser Alm und Gröden nachzukommen. Zu guter Letzt sind auch die Sarntaler Alpen von besonderem naturkundlichen Interesse. Die Ausweisung eines Naturparkes würde neben dem Schutz der Natur auch einer sanften touristischen Nutzung dienen. Denkbar wäre besonders für diese Region jedoch auch die Ausweisung einer Biosphärenregion, wo neben den drei Grundsäulen zum Schutz (Erhaltung, Forschung und Sensibilisierung) auch die ökonomischen Perspektiven für die Bevölkerung vor Ort im Schutz festgeschrieben werden. Im Biosphärenpark Wiener Wald ist dies seit Jahren Realität mit Win-Win-Charakter. Für Südtirol wäre ein solcher Biosphärenpark ein Novum, da in der Vergangenheit das Schutzkonzept vordergründig als Verhinderungsinstrument wahrgenommen wurde und weniger als Perspektive für die Menschen vor Ort mit und vom Schutzgut zu leben.